Page 24 - Taxikurier Juni 2025
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RECHTSPRECHUNG
➔ URTEILE
Lackkratzer am Auto nach dem Waschgang Kein „rechts vor links“ auf Kundenparkplatz
in einer Waschanlage
Es gilt das Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme
Landgericht Lübeck zur Beweislast für die Lackschäden
Auf privatem Kundenparkplatz gilt nicht „rechts vor links“,
Wer nach einem Waschgang in der Waschanlage Schäden sondern das Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme. Das hat
an seinem Auto feststellt, muss beweisen, dass sie von der das Landgericht Lübeck entschieden.
Waschanlage stammen. Das ist regelmäßig schwierig und
gelang nach Einholung eines Sachver stän di gen gut achtens Im Sommer 2018 stießen zwei Fahrzeuge auf einer „Kreuzung“
vor dem Landgericht Lübeck nicht. auf dem Parkplatz eines Baumarktes an der Lohmühle in Lübeck
zusammen. Schilder zur Regelung der Vorfahrt gibt es dort nicht.
Ein Mann ließ sein Auto in einer Waschanlage waschen und stellte Der von rechts kommende Kläger verlangte Ersatz seines Schadens
nach dem Waschgang diverse Kratzer fest. Diese reklamierte er in Höhe von knapp 6.500 Euro. Er steht auf dem Standpunkt, der
umgehend beim Personal der Waschanlage, das die Anlage prüfte andere Fahrer habe ihm die Vorfahrt genommen. Die Versicherung
und eine Verant wort lichkeit verneinte. Vor dem Landgericht Lübeck des Unfallgegners erstattete nur 50 % des Schadens.
forderte der Mann Ersatz von Reparaturkosten in Höhe von rund
5.000 Euro. Das Amtsgericht hatte dem Kläger 70 % seines Schadens zugespro-
chen. Zu Recht, urteilte nun das Landgericht in zweiter Instanz.
Zwar gelte die StVO auch auf privaten Parkplätzen, wenn diese für
Laut Gutachten waren die Lackschäden schon zuvor vorhanden die Allgemeinheit zugänglich seien. Dies heiße aber nicht automa-
tisch, dass auf den Fahrspuren der Grundsatz „rechts vor links“
Das Gericht hat den Mann sowie dessen Ehefrau zum Zustand des gelte. Denn bei den Fahrspuren eines Parkplatzes handele es sich
Fahrzeugs vor dem Waschgang befragt und daraufhin ein techni- nicht ohne weiteres um „Straßen“, die dem fließenden Verkehr
sches Gutachten eingeholt. Danach waren die Kratzer nicht der dienten. Entscheidend seien die „die baulichen Besonderheiten
Waschanlage zuzuordnen, sondern Altschäden. Diese waren vor des Einzelfalles“ wie Fahrbahnmarkierungen, Bordsteine oder ob
dem Waschgang womöglich poliert und nicht zu sehen und durch Parkbuchten entlang der Fahrbahn vorhanden seien. Für den Park-
den Waschgang wieder sichtbar geworden. Das Gericht verneinte platz an der Lohmühle bedeute dies, dass zumindest die Fahrspu-
Ersatzansprüche des Mannes und wies die Klage ab. ren mit angrenzenden Parkbuchten keine „Straßen“ im Sinne des
Gesetzes sind, da diese ausschließlich der Parkplatzsuche und dem
Rangieren dienten. Treffen solche Fahrspuren auf andere Fahrbah-
So ist die Rechtslage nen, liege keine „Straßenkreuzung“ im Sinne der Straßen ver kehrs-
ordnung vor. Aufgrund der „insgesamt unklaren Verkehrs si tuation“
Normalerweise müssen Geschädigte beweisen, dass der Schaden gelte statt der Regel „rechts vor links“ allein das „allgemeine
vom Schädiger verursacht wurde. In den sogenannten Wasch stra- Rücksicht nah megebot“ (§ 1 Abs. 2 StVO), wonach Autofahrer dort
ßen fällen ist das nur schwer möglich, daher greift in diesen Fällen besonders vorsichtig und langsam fahren und sich ständig
ein sogenannter Anscheinsbeweis. Dafür muss aber feststehen, bremsbereit halten müssten. Bei Bedarf müssten sich die Verkehrs-
dass die Schadensursache allein aus dem Verant wor tungs bereich teil nehmer untereinander abstimmen.
der Betreiberin herrührt, das Auto also vorher unbeschädigt war.
Das ist regelmäßig schwer, hier dem Mann aber zunächst gelun- Im vorliegenden Fall hatten beide Fahrer hiergegen verstoßen.
gen. Aus dem technischen Gutachten ergab sich dann jedoch, dass Weil aber das von links kommende Fahrzeug mindestens 25 km ⁄ h
die Kratzer nicht von der Waschanlage herrühren können und be- fuhr, während der Kläger nur mit 10–15 km ⁄ h unterwegs war, be-
reits vorher vorlagen (ggf. nur nicht sichtbar waren). kam der Kläger 70 % seines Schadens ersetzt. Das Gericht ließ
gegen das Urteil die Revision zum Bundes ge richtshof zu, weil die
(Landgericht Lübeck Urteil 04.04.2025) Rechtsprechung zur Frage, ob auf privaten Kunden pa rk plätzen
„Rechts vor Links“ gilt, bundesweit nicht einheitlich ist.
Es wurde Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt.
(Landgericht Lübeck Urteil 12.08.2021)
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