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STADTKUNDE MÜNCHEN

            ➔ POLITISCH BELASTETE STRASSENNAMEN





           Umbenennungen von Straßen 1946 – Von Benedikt Weyerer



           Die US-Armee marschierte am 30. April 1945 in München ein und nur zwei Monate später begann ihre Militärverwaltung,
           dem Oberbürgermeister Karl Scharnagl (1881–1963, Karl-Scharnagl-Ring von 1964) und dem Stadtrat zu befehlen, die
             zahl reichen Straßenbenennungen nach nunmehr abgehalfterten Nationalsozialisten zu beseitigen und durch politisch unbe-
           lastete zu ersetzen. Allerdings gab es Anfang des Jahres 1946 immer noch einige Straßen, deren nationalsozialistische
             Namensgeber der Münchner Stadtverwaltung als offenbar nicht belastet erschienen oder schlicht übersehen worden waren.


             In manchen Fällen gab man auch   wurde nunmehr folgendes festgestellt: Die     Bäckerstraße 14] eine Rede, in der er die
               Verkehrsflächen Namen nach Opfern    frühere Stadtgemeinde Pasing hatte kurz   von ihm erkannten Verdienst Adolf Hitlers
             der nationalsozialistischen Herrschaft,   vor ihrer Eingemeindung am 1.4.1938 eine   (1889–1945) aufzählte, nämlich die „über-
               darunter einigen bislang unbenannten.    ihrer Hauptausfallstraßen [die Planegger   reichen, aus Kraft und Wille geborenen
             Der Karl-Preis-Platz allerdings trug    Straße] in ‚Oberbürgermeister-Wunder-Stra-  staatsmännischen und völkischen Taten des
             bis 1946 keinen politisch belasteten   ße’ umbenannt. Oberbürgermeister Wunder   Führers“, und führte aus: „Friede im Inne-
             Namen. Er wird hier aufgeführt, weil   war bekanntlich der letzte Bürgermeister   ren, Macht nach außen, Wehrhaftigkeit und
             sein Namengeber nach 1945 eine wich-  Pasings vor der Eingemeindung. Er hat sich   Disziplin, Arbeit und Brot, Blut und Rasse,
             tige Rolle in der Stadtpolitik spielte.  ohne Zweifel schon vor dem 3. Reich Ver-  Sozialismus und Tat: Das sind mit ihren
                                             dienste um die Entwicklung Pasings erwor-  zahllosen Trabanten die Sonnen, die Adolf
                                             ben, die es an sich rechtfertigen, nach ihm   Hitler am deutschen Himmel angezündet
           Ramersdorf: Karl-Preis-Platz      eine Straße zu benennen. Von Pasinger   hat. Wie klein und nichtig sind diesen tita-
                                             Einwohnern werden nunmehr aber folgende   nenhaften, kaum fassbaren Erfolgen gegen-
           Karl Preis (1884–1946) amtierte als Auf-  Gründe für eine Beseitigung des Namens   über jene Zweifler, die geringe Schönheits-
           sichtsratsvorsitzender der 1928 gegründe-  ‚Oberbürgermeister-Wunder-Straße’ geltend   fehler aufbauschend bekritteln.“ Damit
           ten Gemeinnützigen Wohnungsfürsorge AG,   gemacht: 1) Bei der Machtübernahme im   meinte Wunder wohl die Konzentrationsla-
           kurz GEWOFAG, die bis 1930 in Ramersdorf   Jahre 1933 wurden alle Bürgermeister, die   ger. Die Rede schloss er mit: „Deutschland
           eine ihrer Großsiedlungen errichtete. Als   nicht mit dem 3. Reich sympathisierten,   – dem Führer und Reichskanzler Adolf Hit-
           Mitglied der SPD wurde er 1933 aus politi-  abgesetzt. Wunder blieb jedoch im Amt,   ler: Sieg Heil!“ Nicht überraschend, trat er
           schen Gründen seines Amtes enthoben und   ein Beweis, dass er auf Seiten des Dritten   nicht etwa ohne eigenes Zutun, sondern
           nach dem Ende des Dritten Reiches 1945   Reiches stand. 2) Wunder blieb bis zur   aus freien Stücken bereits am 1. Mai 1937
           als Wohnungs- und Siedlungsreferent wie-    Eingemeindung am 1. April 1938 im Amt,   der NSDAP als Mitglied Nr. 5.904.262 bei.
           der eingesetzt. Er starb bereits am 9. Mai   arbeitete also mit dem Dritten Reich zu-  Drei Tage vor der Eingemeindung Pasings,
           1946 und am 3. Dezember 1946 wurde der   sammen. 3) Er wurde anlässlich der Einge-  am 29. März 1938, diskutierten die Rats-
           Melusinenplatz („Deutsches Volksmärchen   meindung in die Partei [NSDAP] aufgenom-  herren, die ausnahmslos der NSDAP ange-
           ´Von der schönen Melusine’, vielfach ver-  men. Die Aufnahme soll zwar ohne sein   hörten, die Umbenennung einer möglichst
           herrlicht durch Poesie und bildende   Zutun erfolgt sein. Die Aufnahme selber   bedeutenden Straße nach Wunder, um sei-
           Kunst.“) vom 4. Januar 1900 in Karl-Preis-  aber sowie die Benennung einer Straße   ner Verdienste damit gerecht zu werden. Im
           Platz umbenannt: „Berufsmäßiger Stadtrat,   nach ihm beweisen jedoch, dass sich Wun-  Protokoll liest man: „Im Allgemeinen ist es
           erwarb sich in der Nachkriegszeit [Erster   der auch Verdienste um das Dritte Reich   nicht üblich, dass nach lebenden Personen
           Weltkrieg 1914–1918] große Verdienste um   und im Sinne des Nationalsozialismus er-  Straßenbenennungen vorgenommen wer-
           das Wohnungs- und Siedlungswesen. Gebo-  worben hat. Demgegenüber verblasst die   den, aber nachdem Oberbürgermeister
           ren 13.11.1884 in Auerbach in der Ober-  Tatsache, dass er sich schon vor 1933 Ver-  Dr. Wunder sich so große Verdienste um
           pfalz, gestorben 9.5.1946 in München.“  dienste um die Gemeinde Pasing erworben     Pasing erworben hat und so mit Pasing ver-
                                             hat. Ich schlage daher die Umbenennung   wachsen ist, kann man das machen.“ Die
                                             der ‚Oberbürgermeister-Wunder-Straße’   Planegger Straße wurde auserkoren, Wun-
           Pasing: Planegger Straße          vor.“ Zuerst einmal zu den Fakten: Alois   ders Namen zu tragen, auch weil er selber
                                             Wunder (1878–1974) betrieb seit der   im dortigen Haus Nummer 7 an seiner nun-
           Vor dem Stadtrat erklärte Karl Preis am    Machtübergabe an die NSDAP am 30. Janu-  mehr eigenen Straße wohnte – eine weite-
           3. Januar 1946: „Im Zuge der Säuberung   ar 1933 eine Politik ganz im Sinne der neu-  re, besondere Ehrerbietung. Am 3. Januar
           der Straßennamen von allen Namen nach   en Herren, denen er sehr aufgeschlossen   1946 benannte der Stadtrat die Ausfallstra-
           Personen oder Motiven des 3. Reiches wur-  gegenüberstand. Am 30. Januar 1936 bei-  ße in Würmtalstraße um. Dagegen erhoben
           den bisher in München 106 Straßen umbe-  spielsweise hielt er im damaligen Pasinger   sich Proteste, da viele Münchner den ur-
           nannt. Bei den fortlaufenden Ermittlungen   Rathaus [Hindenburgstraße 14, heute   sprünglichen Namen wiederhaben wollten.




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