Page 32 - Taxikurier November 2025
P. 32

recht kompakt


            VERKEHRSRECHT


             ➔ AUFWEICHUNG – TEIL II



            Das Prinzip des geschlossenen Kreises             den geregelten Verkehrstypen des PBefG bestehen muss und min-
            im Personenbeförderungsrecht                      destens die Mehrheit der Merkmale einer Verkehrsart oder -form
                                                              vorliegen müssen. Es ist also rechtlich nicht zu beanstanden,
              Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) beruht seit seiner   wenn die Behörde die Legalisierung eines nach dem Enumerati-
              Einführung 1961 auf einem klaren Ordnungsprinzip: Nur die   onsprinzip nicht zulassungsfähigen Verkehrs mit der Begründung
              vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Verkehrsarten und   ablehnt, dass keine wirtschaftliche Notwendigkeit und kein all-
              -formen dürfen genehmigt und betrieben werden . Dieses   gemeines Interesse bestehen und die Genehmigung öffentliche
                                                  1
              Prinzip – manche sprechen auch von gesetzlicher Typenzwang   Interessen verletze . Die Geltungsdauer der Auffang-Genehmi-
                                                                           2
              oder auch Enumerationsprinzip – sorgt dafür, dass das Perso-  gung beträgt höchstens fünf Jahre, sie kann aber auch wieder-
              nenbeförderungsrecht eine abschließende Systematik vorgibt.   erteilt werden. Für die Entscheidung ist diejenige Genehmigungs-
              Mit diesem mehrteiligen Beitrag soll dargestellt werden, wie   behörde zuständig, die zur Entscheidung über die Genehmigung
              wichtig es einerseits unverändert ist und welche Folgen und   einer der normierten Verkehrsformen ohnehin berufen wäre.
              Risiken zu bedenken sind, wenn es aufgeweicht wird. Teil II
              stellt dar, wie dieser richtige Ansatz in der Folge tatsächlich   Beim Abweichen von dem Prinzip des geschlossenen Kreises über
              gravierend aufgeweicht wurde.                   die Auffangklausel sind immer diese Risiken zu bedenken:

            Die erste Fassung der Auffangklausel  aus dem Jahre 1964 laute-  ➔  Uneinheitliche Genehmigungspraxis und damit Unsicherheit
                                      1
            te also: „Beförderungen, die in besonders gelagerten Einzelfällen   und Planungsrisiken: Was in einer Region erlaubt wird, lehnt
            nicht alle Merkmale einer Verkehrsart oder Verkehrsform dieses   die Nachbarbehörde vielleicht ab.
            Gesetzes erfüllen, können nach denjenigen Vorschriften dieses   ➔  Druck auf etablierte Märkte: Die Bürgerbus-Diskussionen
            Gesetzes genehmigt werden, die dem Verkehr am meisten ent-    zeigen, dass heftige politische und juristische Auseinander-
            sprechen“. Durch eine Novelle Ende 2012 wurde der Inhalt aber   setzungen entstehen.
            gravierend geändert. Das frühere bestimmende Merkmal „in be-  ➔  Rechtsunsicherheit: Ob ein Verkehr über die Auffang-Geneh-
            sonders gelagerten Einzelfällen“ wurde ersetzt wurde durch   migung zugelassen werden kann, entscheiden im Zweifel
              „soweit öffentliche Verkehrsinteressen nicht entgegenstehen“.     Gerichte – mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen.
            Darüber hinaus wurde unnötigerweise auch ergänzt, dass eine
            Auffang-Genehmigung „anstelle der Ablehnung einer Genehmi-  Wo steht’s im Gesetz?
            gung“ ergehen kann. Die Gesetzesmaterialien beschreiben, dass   1 § 2 Abs. 6 PBefG in der Fassung durch Novelle v. 14.12.2012
            diese Änderungen deshalb erfolgten, weil sich im Zuge der demo-
            grafischen Entwicklung und deren Auswirkungen gerade im länd-  Welches Gericht hat so entschieden?
            lichen Bereich eine Vielzahl und Vielfalt alternativer Beförde-  2   bereits OVG Niedersachsen, Urt. v. 21.02.1973 –
            rungsarten bzw. flexibler Bedienformen entwickelt haben, die   VI OVG A 76/71 –;
            den bereits geregelten Verkehrsarten und Verkehrsformen nur
            schwer zugeordnet werden können. Die Änderung ist aber weiter-
            hin kritisch zu sehen, weil die Gefahr besteht, dass das Enumera-
            tionsprinzip als eine der wesentlichen systematischen Grundsätze
            des PBefG verlassen wird und so letztlich nicht mehr der Gesetz-
            geber in der Hand hat, welche Verkehrsarten und -formen geneh-
            migt werden, sondern die jeweilige Genehmigungsbehörde. Zuzu-  Der Autor:
            geben ist aber andererseits, dass damit praxisbewährte Modelle   Rechtsanwalt Thomas Grätz
            wie Anruf-Sammel-Taxi, Ruf-Bus, Anrufbus, Linientaxi auch Taxi-   ist seit über 30 Jahren mit
            und Mietwagenunternehmern Chancen geboten haben. Aber auch     Personenbeförderungsrecht
            der im Gewerbe vornehmlich kritisch bewertete, weil hochsub-  befasst und war Geschäftsführer
            ventionierte, aber nicht wirklich nachhaltige Bürgerbus wird so   vom  damaligen Taxi-Bundes-
            genehmigt.                                        verband BZP.  Bekannt ist auch
                                                              sein PBefG- Standardwerk
            Festzuhalten ist jedenfalls, dass die Genehmigungsfähigkeit bei     „Fielitz ⁄ Grätz“.
            solchen Beförderungsvarianten, die nur sehr entfernt einer der
            PBefG-Verkehrsarten und -formen ähneln, entfällt. Aus dem Tat-
            bestandsmerkmal „Beförderungen, die ... nicht alle Merkmale
              einer Verkehrsart oder Verkehrsform dieses Gesetzes erfüllen“
              ergibt sich, dass schon auf den ersten Blick eine Ähnlichkeit zu






           32 ⁄ TAXIKURIER ⁄ NOVEMBER 2025
   27   28   29   30   31   32   33   34   35   36   37