Page 34 - Taxikurier November 2025
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     STADTKUNDE MÜNCHEN
            ➔ MEHR ALS OBST UND GEMÜSE
           Die Großmarkthalle – Von Benedikt Weyerer
           Nach dem Abriss der beengenden mittelalterlichen Stadtmauern um das Jahr 1800 herum begann langsam, aber sicher
           die Industrialisierung Münchens und wie überall in Europa zogen große Teile der Landbevölkerung in die Städte.
             Während sich das Land leerte, wuchsen   Schrannenhalle            Ringbahn und Thalkirchen
             die Städte in atemberaubenden Tempo.
             So nahm die Bevölkerung in München   Die Schrannenhalle in München wurde von   Am 15. März 1871 nahm der zweigleisige
             von 40.000 im Jahr 1800 auf 100.000   1851 bis 1853 nach Plänen von Karl Muffat   Abschnitt der Bahnverbindung zwischen
             im Jahr 1852, auf 250.000 im Jahr 1883   (1797–1868, Muffatstraße von 1897) als   dem Hauptbahnhof und dem Ostbahnhof
             und schließlich auf 500.000 im Jahr   erste Eisenkonstruktion in München als   seinen Betrieb auf und mit ihm der seit
             1900 zu. Dieser enorme Zuzug verur-    Getreidehalle am Rande der Altstadt nahe   1985 wieder aufgelassene Südbahnhof. Und
             sachte nicht nur eine katastrophale   dem Viktualienmarkt errichtet. Der offiziel-  am 1. Januar 1877 wurde das Dorf Sendling
             Wohnungsnot, sondern auch beispiels-  le Name lautete Maximilians-Getreide-Halle   eingemeindet, das sich zwischenzeitlich
             weise ernste hygienische Probleme bei   nach dem damals herrschenden König   bereits zu einer dicht bebauten Vorstadt
             der Wasserversorgung sowie bei der     Maximilian II. (1811–1864, Maximilian-  entwickelt hatte, allerdings noch ausge-
               Versorgung mit Lebensmitteln.  straße von 1858).                dehnte Freiflächen aufwies. Hier nun ent-
                                                                               stand die neue Großmarkthalle, gedacht für
                                             Die Bezeichnung „Schrannenhalle“ verweist   die Versorgung der weiterhin wachsenden
           Schrannenplatz                    auf ihre Nutzung als wettergeschützter Ge-  Großstadt München für lange Zeit. Mün-
                                             treidemarkt, während die anderen Lebens-  chen war damals nach Berlin, Hamburg und
           Der Schrannenplatz bildete seit der Grün-  mittel auf dem Viktualienmarkt gehandelt   Breslau die viertgrößte Stadt des Deut-
           dung Münchens 1158 das Zentrum der   wurden. Diese Schrannenhalle erstreckte   schen Reiches.
             Versorgung der Bevölkerung mit Lebens-  sich über eine Länge von 430 Metern und
           mitteln. Das Wort „Schranne“ bedeutete   bestand aus Gusseisenträgern und einem
           „Getreide“, aber der Platz umfasste auch   Dach mit Oberlichtern. Zunächst waren die   Architektur der Großmarkthalle
           Bereiche für andere Lebensmittel. Unter   Seiten offen, erst 1871 wurden sie mit Glas
           den schützenden Arkaden der Häuser gab   versehen. Die Konstruktion aus Glas- und
           es verschiedene Abschnitte, die Bezeich-  Eisenmaterial galt als technisches Meister-
           nungen je nach ihrer Nutzung trugen, etwa   werk. Übrigens entstand zur selben Zeit,
           Eiermarkt, Fischmarkt, Vogelmarkt, Kram-  1854, das Ausstellungsgebäude des Münch-
           zeile, Unter den Schustern, Kornmarkt,    ner Glaspalastes auf dem Gelände des
           An dem Bauernmarkt, Unter den Schneid-    heutigen Alten Botanischen Gartens, das
           tischen oder Weinmarkt, nach dem seit   allerdings 1931 abbrannte. Doch zurück
           dem 14. Jahrhundert die Weinstraße be-  zur Schrannenhalle:
           nannt ist. Die Zunahme der Bevölkerung
           machte bald ab 1800 eine Verlagerung die-  Infolge der weiterhin zunehmenden
           ser Märkte notwendig, so dass sich eine     Bevölkerung konnte sie gegen Ende des
           Freifläche gleich außerhalb der Altstadt da-  19. Jahrhunderts den Erfordernissen nicht
           für anbot: Auf einem Stadtplan von 1826   mehr genügen, abgesehen davon, dass das
           erscheint erstmals der Viktualienmarkt,   Getreide vom 1839 eröffneten Bahnhof, wo
             wobei „Viktualien“ allgemein für „Lebens-  der Großteil des Getreides angeliefert wur-  Im Jahr 1912 erschien das Standardwerk
           mittel“ steht. Seit 1843 gelangten dort   de, durch die halbe Stadt transportiert wer-  „München und seine Bauten“, herausgege-
           auch Blumen zum Verkauf, worauf sich die   den musste und seit seiner Eröffnung 1871   ben vom Bayerischen Architekten- und
           Blumenstraße von 1873 bezieht. Durch die-  auch vom Südbahnhof an der Ruppertstra-    Ingenieurverein. Im Folgenden kommen die
           se Entwicklung verlor der Schrannenplatz   ße aus. Nach ihrem schrittweisen Abriss   dortigen Experten in aller Ausführlichkeit
           seine Bedeutung für die Nahversorgung   zwischen 1914 und 1927 blieb lediglich der   zur soeben fertiggestellten Großmarkthalle
           und erhielt 1854 den Namen Marienplatz.  nördliche Kopfbau bestehen, heute eine   zu Wort: „Die Großmarkthalle und ihre Ne-
                                             Gaststätte. Die Schrannenhalle wurde 2005   benanlagen sowie die mit ihr in enger Be-
                                             an der alten Stelle wiederaufgebaut und   ziehung stehende Anlage der Obstzollhalle
                                             neu eröffnet und dient seitdem vorwiegend   liegen südlich des Südbahnhofes. Die Obst-
                                             gastronomischen Zwecken.          zollhalle wurde in den Jahren 1908/1909,
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