Page 24 - Taxikurier Mai 2025
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sches Auto einmarschiert, weil sie soeben te wanderte über zwei Hände vom Rücksitz das Fahrtziel. Er nannte – wie um einer
in dem eher als linksalternativ bekannten ins Abspielgerät, während eine dritte Hand Mutmaßung Recht zu geben – Geiselgasteig.
Etablissement provoziert oder Schaden an- den Laustärkeknopf fast aus seiner Ver- Das war’s erstmal mit Redseligkeit.
gerichtet hatten und nun auf der Flucht vor ankerung riss. Was folgte, war einer der
Punks, Polizei oder der Antifa waren. kürzesten, aber intensivsten und ich könn- Sicher wusste er, dass ich sicher wusste,
te auch schwören, lautesten Ska-Raves auf wer er war. Doch vergrub er, auf der Rück-
Schlagartig begann der natürliche Angst- den nächtlichen Straßen zwischen Konzert- bank sitzend, zunächst sein unverkennba-
schweißdrüsenmechanismus all meine tro- halle und Univiertel. Party im Auto, Pogo res Antlitz, der Unkenntlichmachung hal-
ckenen Hautpartien gleichzeitig zu be- auf der Rücksitzbank. Wer’s nicht glaubt, ber, tief in seine sicherlich absichtlich zu
sprenkeln. Vibrationsalarm erschütterte hat noch nie wild abfeiernde Glatzköpfe diesem Zweck erworbene Süddeutsche. Ich
mein Nervenkostüm. Gut, dass die vier Ver- erlebt. vermied es, ihn auf die Talkshow vorges-
treter des gewaltbereiten nationalen Wider- tern Abend anzusprechen. Und auf die da-
stands all das nicht wirklich sehen konn- Mein Auto hat’s irgendwie schadlos über- vor. Und überhaupt. Er bedankte sich nach
ten. Sicher aber würden sie mich wegen lebt. Im Gegenteil, die vier haben in ihrer Erreichen des Fahrtziels durch eine Geste
meiner schulterlangen Haare sogleich als Laune darüber, dass ihre Party lückenlos indirekt dafür.
Hippie oder Schwulen verunglimpfen. Hof- noch ein paar Minuten weiterlief, für ein
fentlich bleibt es dann nur bei verbalen stattliches Trinkgeld zusammengelegt. Als Indirekt, weil: Wir sprachen doch ein paar
Dummheiten. Und hoffentlich bleibt’s die- nachträglichen Eintritt ins antifaschisti- Sequenzen während der Fahrt. Dies ergab
ses Mal bei einer Kurzfahrt … sche Red-Skin-Ska-Disco-Taxi. sich aus dem angenehmen Zufall heraus,
dass meine zunächst unstörend leise im
Ins Szeneviertel Nordstadt wollten sie. Kurzum: Aufatmen. Umschalten. Mitrocken. Hintergrund laufende CD seine Zustimmung
Gottseidank, das war in wenigen Minuten Alles löste sich in harte Rhythmen und fand. Er erwähnte schließlich, dass er die
erreichbar. Was immer sie dort vorhatten: sanftes Wohlgefallen auf. Hatte ich auch Band schon einmal backstage nach einer
Hauptsache, sie sind schnell wieder aus nur eine einzige Sekunde Angst durch diese Show treffen durfte und vier sehr ange-
meinem Auto verschwunden. Dann, gleich Typen erlebt? Angst? Ich doch nicht! (Das nehm leise Zeitgenossen kennenlernte.
im zweiten Satz, die befürchtete Bemer- Hemd war nur vom Mitrocken nass, ich
kung. „Ganz schön lange Zotten, Alter. Bist schwör’s). Ganz anders als jener Herr namens B. legen
wol’n Öko oder so was...“ vernahm ich mit manche mehr oder weniger berühmte Fahr-
rasendem Puls, und dann: „…egal Mann, gäste jedoch besonderen Wert darauf, in
Hauptsache kein Nazischwein oder so“. Ich bin ein Star. Erkenn mich bitte Sachen „erkennen Sie mich nicht?“ nachzu-
helfen, wenn der Fahrer arglos ist oder so
Hä!? Kein Nazischwein?? Wollten die mich Stopp! Ich möchte die Geschichte anders tut. Womit wir beim Titel der Geschichte
jetzt auch noch verarschen? Ohne auf mei- beginnen lassen, als es die Überschrift ankämen. Vielleicht heißt B-Prominenz ja
ne Antwort zu warten, ging das heitere vermuten lässt. B-itte B-emerke mich!
Beruferaten weiter.
Erstmal: Ja, es kommt vor, dass du sie be- Die sich fühlbar selbst als gut aussehend
„Was hast’n da für Kassetten? Bob Dylan? förderst. Berühmtheiten aus Leinwand, empfindende Dame mittleren Alters
Cool. Nicht mein Sound, aber geschenkt. Stadion, Funk und Fernsehen oder Glitzer- wurde auf dem Weg von Schwabing nach
Was hörst’n sonst noch so?“ Schickeria. Sportler, Politiker, Musiker, Nymphenburg jedenfalls nicht müde, mich
Modezaren oder Schauspieler. Manchmal zu fragen, ob ich denn nicht erkenne, wer
Nun muss ich für die vier jungen Herrschaf- möchten eben auch sie ganz allein von A sie sei. Sie sei ja schließlich die Revier-
ten endgültig dermaßen konsterniert aus nach B, C oder D. Viele dieser Prominenten Assistentin in der Vorabend-Kleinstadt-
der schweißnassen Wäsche geschaut ha- wollen natürlich nicht erkannt werden oder Krimiserie, die am Anfang beim eingehen-
ben, dass sie begriffen, was mit mir los sind froh, nicht ständig die gleiche Frage den Anruf immer denselben, für die Serie
war, und mich umgehend aufklärten. „Hast gestellt zu bekommen wie jene nach dem charakteristischen Satz sage.
uns wohl für Faschos gehalten. Ha…! Matchball gegen McEnroe oder dem ver-
Wir sind Red Skins, Mann. Heut war Ska- schossenen Elfmeter von Belgrad.
Konzert, war übrigens geil … nee, ne, du
hast echt gedacht, wir sind Fascho-Glat- Eines Nachmittags öffnete sich wie aus
zen? Vergiss es, Mann. Red Skins forever! dem Nichts einer ruhigen Filmsequenz ohne
Fuck Germany! Ska rules!“ ging‘s aus vier dramatische Hintergrundmusik die Autotür
Mündern durcheinander. Dann: „Hör Dir das hinten rechts am Taxistand Isartor. Dieser
mal an. Wirf das hier mal ein, ey!“. Comedy-Star mit dem unverkennbaren Ant-
litz nahm Platz. Schweigend, bis auf ein
Klack-klack machte es, meine Dylan-Kasset- eher in norddeutscher als bayerischer
te flog aus dem Schlitz, eine bunt bedruck- Mundart ausgesprochenes „Grüß Gott“ und
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