Page 25 - Taxikurier Oktober 2025
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lediglich umgangssprachlich den Anstieg Straße 1 unter Denkmalschutz mit der Er- Straße mit dem offen fließenden Hachinger
der Rosenheimer Straße auf das Hochufer läuterung: „Malerischer Gruppenbau am Bach ist die charakteristische ländliche,
der Isar. Isarkai mit Turm, im barockisierenden Ju- offene Siedlungsweise mit den giebelstän-
gendstil, 1897–1901 von Carl Hocheder dig zur Straße stehenden, bäuerlichen An-
d. Ä.; Inneres reich ausgestattet. Entlang wesen deutlich erhalten. Die Bautätigkeit
VERKEHRSPLANUNGEN DES der Westseite am Uferweg Kaimauer mit der Jahrhundertwende, die den ehemaligen
20. JAHRHUNDERTS kugelbesetzter Balustrade und Pavillon am Dorfplatz städtisch überformt hat, hat sich
Nordende.“ Nicht auf der Denkmalschutzlis- an den alten Anlagetyp des Angerdorfs ge-
Der Siegeszug des Automobils begann in te und dennoch sehenswert, das Gasteig an halten, so dass auch mit Einholung durch
den 1920er-Jahren und mit ihm die Idee, der Rosenheimer Straße 5, Europas größtes die Großstadtlandschaft der Ort Perlach
kreuzungsfreie, vierspurige Schnellstraßen Kulturzentrum, eröffnet 1984 und seit siedlungsgeschichtliche Bedeutung an-
zu erbauen, ausgehend vom italienischen 2021 wegen der geplanten Generalsanie- schaulich macht. Bauernhäuser, Gaststätte,
Vorbild zwischen Mailand und Varese aus rung geschlossen. Entlang der Rosenheimer Wohn- und Geschäftshäuser, Kirche Sankt
dem Jahr 1924, während die erste dieser Straße westlich des Ostbahnhofes steht Michael: Katholische Pfarrkirche im Orts-
Autobahnen in Deutschland seit 1932 die eine Vielzahl von denkmalgeschützten kern von Perlach, barocker Saalbau mit ein-
Städte Köln und Bonn verbindet. Eine Wohnhäusern aus der Zeit von 1860 und gezogenem Chor und Westturm, 1728 bis
weitere Idee waren ebenfalls vierspurige 1900, östlich des Ostbahnhofes etliche aus 1730 von Michael Pröbstl und Johann
Ringstraßen, die die Verkehrsströme um die den Jahren seit 1915. Dann der Ortskern Mayr; mit Ausstattung; alter Friedhof mit
Innenstädte herum leiten sollten. Auch in von Ramersdorf: „Das im frühen 11. Jahr- Denkmal von 1914; Kriegerdenkmal.“
München entstanden entsprechende Pla- hundert erstmals erwähnte Dorf besitzt
nungen, die aber immer wieder infolge von mit der Wallfahrtskirche Maria Ramersdorf
Wirtschaftskrisen und später dem Zweiten (15. Jh.), dem Mesnerhaus (15. Jh.), dem HEUTE
Weltkrieg in den Schubladen verschwan- ehem. kurfürstlichen Jagdhaus (18. Jh.)
den. Der Generalbaulinienplan Groß-Mün- und dem Kirchhof mit Kapelle und Mauer So kurz wie heute war die Rosenheimer
chen von 1927 und der Verkehrs- und (17. Jh.) eine bemerkenswert geschlossene Straße in ihrer langen und bewegten Ge-
Wirtschaftsplan von 1938 sahen für den Baugruppe von großer historischer und schichte noch nie, nämlich 7,4 Kilometer,
Südosten der Stadt die folgende Route vor, städtebaulicher Bedeutung, die mit dem trotzdem bleibt sie immer noch der dritt-
beginnend im Norden und dann im Uhrzei- im 17. Jahrhundert gegründeten und im längste Verkehrsweg in München nach der
gersinn weiter: Richard-Strauss-Straße, 19. Jahrhundert umgestalteten Alten Wirt Schleißheimer Straße mit 8,1 Kilometern
Ampfingstraße, Aschheimer Straße, Melusi- und den ländlich-vorstädtischen Häusern und der Dachauer Straße mit ihren 11,2 Ki-
nenstraße, Claudius-Keller-Straße, Werin- der späten Gründerzeit malerisch zusam- lometern.
herstraße mit anschließendem Abfahrt zur men gesehen werden kann.“ Und gegen-
Isar und zur Candidstraße. Inzwischen über die Mustersiedlung: „Angelegt 1934 in
entstand von 1928 bis 1930 die große Verbindung mit der Deutschen Siedlungs- EXKURS: MARIENPLATZ
Siedlung Neu-Ramersdorf, auch entlang der ausstellung nach Entwurf von Guido Har-
Rosenheimer Straße. Die langen Häuser- bers. In sich geschlossener Bereich mit Die Planungen aus den 1920er-Jahren sahen
fronten ließen mit ihren Baulinien viel zum Teil durch Grünstreifen getrennten vor, dass sich der Fern- und Durchgangsver-
Platz für breite Verkehrsschneisen, denn Reihen von Einzel- und Doppelhäusern so- kehr von und zur Autobahn am heutigen
man plante damals im großen Stil die auto- wie zweigeschossigen Reihenhäusern. In Karl-Preis-Platz auf den Ring verteilt. Noch
gerechte Stadt, was sich gerade in Ramers- Situierung – von der Stadt getrennt – und bis ins Jahr 1967, bis zum Baubeginn von
dorf zeigt. Ebenso wurde seit dieser Zeit Begrünung der Gartenstadtbewegung ver- S- und U-Bahn, blieb der Marienplatz einer
eine Autobahn über Rosenheim in Richtung pflichtet, einerseits auf den Ortskern Ramers- der zentralen Verkehrsknotenpunkte der
Österreich angedacht. Kreuzungspunkt des dorf mit seinem hohen Kirchturm ausge- Stadt – heute eine schwer vorstellbare Situ-
Verkehrs auf dem Ring sowie von und zu richtet und damit der Großstadtlandschaft ation. In den 1920er- und 1930er-Jahren
dieser Autobahn sollte der Melusinenplatz verbunden, andererseits durch Anger und nahm die Motorisierung stark zu und fand
von 1929 werden, seit 1946 der Karl-Preis- Kirche als Gemeinschaft strukturiert.“ Wei- ihren Ausdruck in den oben genannten
Platz, benannt nach dem Wohnungs- und ter in der Ottobrunner Straße 60 fällt ein autogerechten Planungen und Baumaß-
Siedlungsreferenten der Jahre 1920 bis Behelfsbau ins Auge, der durch die Aufnah- nahmen. In diesem Zusammenhang wurde
1933 sowie von 1945 bis 1946. Preis lebte me in die Denkmalschutzliste eine Lebens- im Rahmen der Eröffnung der Autobahn
von 1884 bis 1946 und zeichnete verant- verlängerung erlangte: „Werkstättenbaracke Salzburg die zweispurige Ludwigsbrücke
wortlich für den Bau der Siedlung Neu- der Firma Funk und Vatter, erdgeschossiger 1934/1935 abgerissen und mit vier Fahrspu-
Ramersdorf. Der Mittlere Ring verläuft Satteldachbau, von Josef Neumaier und ren neu errichtet. Gleichzeitig erhielt das
seit dem oben genannten Jahr 1960 zwar Hans Noë, 1941.“ Und dann noch der Orts- Alte Rathaus eine zweite, südliche Durch-
weiter außerhalb, die autogerechten kern von Perlach um den Pfanzeltplatz: fahrt, um einen verstärkten Zu- und Abfluss
Häuserfronten der Siedlung haben sich „Der gesamte Angerbereich des ehemaligen des Verkehrs am Marienplatz zu ermögli-
aber erhalten. Dorfes Perlach, wie er sich beidseitig des chen. Zum Abriss der historischen Häuser im
Hachinger Bachs bis etwa zur Mitte des beengten Tal kam es dann infolge des Zwei-
19. Jahrhunderts entwickelt hat, zusammen ten Weltkrieges aber nicht mehr.
DENKMALSCHUTZ mit seiner städtisch überformten Platzauf-
weitung in der oberen Hälfte ist ein En- Aus: Megele, Max: Baugeschichtlicher
Gleich östlich der Ludwigsbrücke steht das semble. Im leicht gekrümmten Verlauf der Atlas der Landeshauptstadt München.
Müller’sche Volksbad an der Rosenheimer sich lange hinziehenden Sebastian-Bauer- Selbstverlag. München 1951.
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