Page 26 - Taxikurier Oktober 2025
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recht kompakt


            VERKEHRSRECHT


             ➔ DEFINITION UND ENTWICKLUNG – TEIL I



            Das Prinzip des geschlossenen Kreises
            im Personenbeförderungsrecht

              Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) beruht seit seiner
              Einführung 1961 auf einem klaren Ordnungsprinzip: Nur die
              vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Verkehrsarten und
              -formen dürfen genehmigt und betrieben werden . Dieses
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              Prinzip – manche sprechen auch vom gesetzlicher Typenzwang
              oder auch Enumerationsprinzip – sorgt dafür, dass das Perso-
              nenbeförderungsrecht eine abschließende Systematik vorgibt.
              Mit diesem mehrteiligen Beitrag soll dargestellt werden,
              wie wichtig es einerseits unverändert ist und welche Folgen
              und Risiken zu bedenken sind, wenn es aufgeweicht wird.
              Teil I stellt dar, was genau darunter zu verstehen ist.

            Ganz einfach bedeutet das Prinzip folgendes: Wird ein Beförde-
            rungsangebot betrieben, das nicht in die gesetzlich geregelten
            Kategorien fällt, ist es nicht etwa genehmigungsfrei, sondern
            nicht genehmigungsfähig. Dieser Betrieb wäre damit schlichtweg   neue Mobilitätsbedarfe reagieren zu können. Daraufhin wurde
            unzulässig und ordnungswidrig . Genehmigungsfähig sind nach   1995 die sog. Auffangklausel geschaffen : „Beförderungen, die in
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            dem PBefG damit nur die klassischen Verkehrsarten und -formen,   besonders gelagerten Einzelfällen nicht alle Merkmale einer Ver-
            insbesondere Linienverkehr, Sonderlinienverkehr, Ausflugsfahr-  kehrsart oder Verkehrsform dieses Gesetzes erfüllen, können nach
            ten, Ferienziel-Reisen, Taxenverkehr und Mietwagenverkehr,   denjenigen Vorschriften dieses Gesetzes genehmigt werden, die
              später dazugekommen ist der Fernbus und recht aktuell dann   dem Verkehr am meisten entsprechen.“ Immerhin ist die
            noch Linienbedarfsverkehr und gebündelter Bedarfsverkehr. Alles,  Zulassung an die Maßgabe gebunden, dass die öffentlichen
            was nicht in diese Typen eingeordnet werden kann, ist ausge-    Verkehrsinteressen an dem daseinsvorsorgenden Linien- und
            schlossen – es sei denn, das Gesetz selbst oder die Freistellungs-     Taxenverkehren der Genehmigung per Auffangklausel nicht ent-
            Verordnung nimmt es ausdrücklich aus. Dieses Prinzip garantiert   gegenstehen dürfen.
            Rechtssicherheit, Wettbewerbsfairness und eine planbare Ver-
            kehrsordnung. Es verhindert eine beliebige Ausweitung der Be-  Wo steht’s im Gesetz?
            förderungsangebote und damit auch eine Gefährdung bestehen-  1 § 2 Abs. 1 Satz 1 PBefG
            der, gemeinwohlorientierter und der Daseinsvorsorge dienender   3 zunächst § 59a PBefG, später wortgleich § 2 Abs. 6 PBefG
            Strukturen – vor allem des Linienverkehrs und des Taxenverkehrs.
            Für die praktische Umsetzung bedeutet es, dass die Unternehmer,   Welches Gericht hat so entschieden?
            Kommunen, aber auch diejenigen, die meinen, Innovationen in   2   BVerfG, Beschl. v. 07.04.1964 – BvL 12 ⁄ 63 –
            den Beförderungsmarkt einzuführen zu wollen, ihr Angebot sau-
            ber in den gesetzlichen „Besteckkasten“ einzuordnen haben. An-
            derenfalls drohen das Ordnungsrecht und Betriebsstilllegungen.
                                                              Der Autor:
            Recht früh, nämlich schon anfangs der 1960er Jahre zeigte sich   Rechtsanwalt Thomas Grätz
            jedoch, dass diese strikte Typenzuordnung nicht alle realen Be-  ist seit über 30 Jahren mit
            dürfnisse abdeckte. In der Praxis entstanden Beförderungsange-    Personenbeförderungsrecht
            bote, die zwar sinnvoll und nachgefragt waren, aber nicht in das   befasst und war Geschäftsführer
            Raster des PBefG passten – die sogenannten „grauen Verkehre“.   vom  damaligen Taxi-Bundes-
            Beispiele hierfür sind Werkferienverkehre, kombinierte Reise-  verband BZP.  Bekannt ist auch
            angebote oder flexible Bedienformen wie Rufbus und Anruf-   sein PBefG- Standardwerk
            Sammel-Taxi. Die Verwaltungspraxis versuchte, solche Verkehre     „Fielitz ⁄ Grätz“.
            durch weite Auslegung oder ganz einfach Nicht-Einschreiten
            zu tolerieren. Das Bundesverfassungsgericht stellte in seinem
              bereits zitierten Beschluss jedoch klar, dass ein solches „Hin-
            einzwängen“ in gesetzliche Typen nicht zulässig ist. Damit war
            der Gesetzgeber gezwungen, Instrumente zu schaffen, um auf






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