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recht kompakt
VERKEHRSRECHT
➔ DEFINITION UND ENTWICKLUNG – TEIL I
Das Prinzip des geschlossenen Kreises
im Personenbeförderungsrecht
Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) beruht seit seiner
Einführung 1961 auf einem klaren Ordnungsprinzip: Nur die
vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Verkehrsarten und
-formen dürfen genehmigt und betrieben werden . Dieses
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Prinzip – manche sprechen auch vom gesetzlicher Typenzwang
oder auch Enumerationsprinzip – sorgt dafür, dass das Perso-
nenbeförderungsrecht eine abschließende Systematik vorgibt.
Mit diesem mehrteiligen Beitrag soll dargestellt werden,
wie wichtig es einerseits unverändert ist und welche Folgen
und Risiken zu bedenken sind, wenn es aufgeweicht wird.
Teil I stellt dar, was genau darunter zu verstehen ist.
Ganz einfach bedeutet das Prinzip folgendes: Wird ein Beförde-
rungsangebot betrieben, das nicht in die gesetzlich geregelten
Kategorien fällt, ist es nicht etwa genehmigungsfrei, sondern
nicht genehmigungsfähig. Dieser Betrieb wäre damit schlichtweg neue Mobilitätsbedarfe reagieren zu können. Daraufhin wurde
unzulässig und ordnungswidrig . Genehmigungsfähig sind nach 1995 die sog. Auffangklausel geschaffen : „Beförderungen, die in
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dem PBefG damit nur die klassischen Verkehrsarten und -formen, besonders gelagerten Einzelfällen nicht alle Merkmale einer Ver-
insbesondere Linienverkehr, Sonderlinienverkehr, Ausflugsfahr- kehrsart oder Verkehrsform dieses Gesetzes erfüllen, können nach
ten, Ferienziel-Reisen, Taxenverkehr und Mietwagenverkehr, denjenigen Vorschriften dieses Gesetzes genehmigt werden, die
später dazugekommen ist der Fernbus und recht aktuell dann dem Verkehr am meisten entsprechen.“ Immerhin ist die
noch Linienbedarfsverkehr und gebündelter Bedarfsverkehr. Alles, Zulassung an die Maßgabe gebunden, dass die öffentlichen
was nicht in diese Typen eingeordnet werden kann, ist ausge- Verkehrsinteressen an dem daseinsvorsorgenden Linien- und
schlossen – es sei denn, das Gesetz selbst oder die Freistellungs- Taxenverkehren der Genehmigung per Auffangklausel nicht ent-
Verordnung nimmt es ausdrücklich aus. Dieses Prinzip garantiert gegenstehen dürfen.
Rechtssicherheit, Wettbewerbsfairness und eine planbare Ver-
kehrsordnung. Es verhindert eine beliebige Ausweitung der Be- Wo steht’s im Gesetz?
förderungsangebote und damit auch eine Gefährdung bestehen- 1 § 2 Abs. 1 Satz 1 PBefG
der, gemeinwohlorientierter und der Daseinsvorsorge dienender 3 zunächst § 59a PBefG, später wortgleich § 2 Abs. 6 PBefG
Strukturen – vor allem des Linienverkehrs und des Taxenverkehrs.
Für die praktische Umsetzung bedeutet es, dass die Unternehmer, Welches Gericht hat so entschieden?
Kommunen, aber auch diejenigen, die meinen, Innovationen in 2 BVerfG, Beschl. v. 07.04.1964 – BvL 12 ⁄ 63 –
den Beförderungsmarkt einzuführen zu wollen, ihr Angebot sau-
ber in den gesetzlichen „Besteckkasten“ einzuordnen haben. An-
derenfalls drohen das Ordnungsrecht und Betriebsstilllegungen.
Der Autor:
Recht früh, nämlich schon anfangs der 1960er Jahre zeigte sich Rechtsanwalt Thomas Grätz
jedoch, dass diese strikte Typenzuordnung nicht alle realen Be- ist seit über 30 Jahren mit
dürfnisse abdeckte. In der Praxis entstanden Beförderungsange- Personenbeförderungsrecht
bote, die zwar sinnvoll und nachgefragt waren, aber nicht in das befasst und war Geschäftsführer
Raster des PBefG passten – die sogenannten „grauen Verkehre“. vom damaligen Taxi-Bundes-
Beispiele hierfür sind Werkferienverkehre, kombinierte Reise- verband BZP. Bekannt ist auch
angebote oder flexible Bedienformen wie Rufbus und Anruf- sein PBefG- Standardwerk
Sammel-Taxi. Die Verwaltungspraxis versuchte, solche Verkehre „Fielitz ⁄ Grätz“.
durch weite Auslegung oder ganz einfach Nicht-Einschreiten
zu tolerieren. Das Bundesverfassungsgericht stellte in seinem
bereits zitierten Beschluss jedoch klar, dass ein solches „Hin-
einzwängen“ in gesetzliche Typen nicht zulässig ist. Damit war
der Gesetzgeber gezwungen, Instrumente zu schaffen, um auf
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