Page 26 - Taxikurier August und September 2025
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grundlage, auf die sich die Untersagung stütze (§ 3 FeV), sei unwirk-  Gegen den Betroffenen war wegen Überschreitens der zulässigen
           sam. Sie sei zu unbestimmt bzw. unverhältnismäßig. Es sei – anders   Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um
           als für Kraftfahrzeuge – nicht klar geregelt, wann einer Person die   40 km/h eine Geldbuße in Höhe von 520 Euro festgesetzt und ein
           Eignung fehle, mit einem Fahrrad am Straßenverkehr teilzunehmen.   Fahrverbot von einem Monat angeordnet worden. Bei erlaubten
           Insbesondere sei es unzulässig, das Führen eines Fahrrads ähnlich   50 km/h war der Betroffene nach Abzug der Toleranz 90 km/h
           strengen Vorgaben zu unterwerfen wie das Führen eines Kraftfahr-    gefahren. Auf seinen Einspruch hin hatte das Amtsgericht Kassel
           zeugs. Dem ist der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts nicht   den mehrfach vorbelasteten Betroffenen zu einer Geldbuße von
             gefolgt (anderer Auffassung: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-   1.000 Euro und einem Fahrverbot von zwei Monaten verurteilt.
           Westfalen, Beschluss v. 05.12.2024 - 16 B 175/23 und Bayerischer
           Verwaltungsgerichtshof, Urteil v. 17.04.2023 - 11 BV 22.1234).  Die gegen dieses Urteil gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffe-
                                                              nen hatte vor dem zuständigen 2. Strafsenat keinen Erfolg. Das
                                                              Urteil lasse keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen
           OVG Saarlouis: § 3 FeV ist hinreichend bestimmt und     erkennen, begründete der Senat seine Entscheidung. Das gelte
             ermöglicht das Verbot zum Führen von erlaubnisfreien     insbesondere für die Würdigung des Verhaltens als vorsätzlicher
           Fahrzeugen im Einzelfall                           Verstoß und daran anknüpfend die verschärfte Ahndung mit einer
                                                              Geldbuße von 1.000 Euro.
           Er hat ausgeführt, dass sich § 3 FeV jedenfalls für das streitgegen-
           ständliche, im Anschluss an eine Trunkenheitsfahrt mit einem er-  Der vom Betroffenen gerügte Umgang mit „lückenhaften“ Messpro-
           laubnisfreien Fahrzeug bei einer BAK von 1,83 Promille ausgespro-  tokollen erschöpfe sich in einer bloßen Behauptung und begründe
           chene Verbot, solche Fahrzeuge zu führen, als hinreichend   ebenfalls keinen Rechtsfehler. Es fehle ein konkreter Bezug zum
           bestimmte und verhältnismäßige Regelung darstelle. Da der Kläger   Fall. Auffälligkeiten und/oder Besonderheiten in der sog. Fall-
           es unterlassen habe, sich begutachten zu lassen, habe die Fahrer-  datei, die in einem Kontext zum Messprotokoll gesehen werden
           laubnisbehörde darauf schließen dürfen, dass ihm die Eignung zur   könnten, würden nicht dargestellt. Das in Bezug genommene Fall-
           Teilnahme am Straßenverkehr mit erlaubnisfreien Fahrzeugen fehle   bild weise ebenfalls keinerlei Auffälligkeiten auf. „Es zeigt ledig-
           (§ 11 Abs. 8 FeV). Die Untersagungsverfügung stelle zwar einen   lich einen einsamen Fahrer, der mit entspanntem Gesicht und ge-
           schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte Indivi-  messenen 90 km/h kurz nach Mitternacht durch die Innenstadt
           dualmobilität dar. Zudem sei angesichts der geringeren Masse und   von Kassel rast“, konkretisiert der Senat.
           Höchstgeschwindigkeit erlaubnisfreier Fahrzeuge nicht von der
           Hand zu weisen, dass solche Fahrzeuge eine geringere Gefahren-  Der Senat nimmt die Entscheidung zum Anlass, grundsätzlich den
           quelle darstellten als erlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge. Die Ge-  Umgang mit „lückenhaften“ Messprotokollen zu erläutern. Mess-
           fahr, die von ungeeigneten Führern erlaubnisfreier Fahrzeuge aus-  protokolle könnten als amtliche Urkunden in Verkehrsordnungs-
           gehe, sei aber erheblich genug, um die dem Kläger gegenüber   widrigkeitenverfahren verlesen werden und damit die Einvernahme
           ergangene Anordnung, sich medizinisch-psychologisch begutach-  von Zeugen ersetzen. Sofern Messprotokolle nicht den verbindli-
           ten zu lassen, zu rechtfertigen (§ 3 Abs. 2, § 13 Satz 1 Nr. 2   chen Vorgaben entsprächen, müsse der Messbeamte als Zeuge ver-
           Buchst. c FeV ). Denn andere Verkehrsteilnehmer könnten sich und   nommen werden. „Entscheidend ist nicht die formale Dokumenta-
           Dritte erheblich gefährden, wenn sie wegen der unvorhersehbaren   tion, sondern die materielle Richtigkeit der Handlung“, betont der
           Fahrweise eines unter erheblichem Alkoholeinfluss fahrenden   Senat. Erinnere sich der Messbeamte an die häufig schon Monate
           Mofa- oder Radfahrers zu riskanten und folgenschweren Ausweich-  zurückliegende Messung nicht mehr, liege keine standardisierte
           manövern verleitet würden.                         Messung mehr vor. Das Gericht müsse dann eine volle Beweiswür-
                                                              digung u.a. unter Bewertung der vom Messgerät erzeugen Falldatei
           (Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Urteil 24.05.2025)  vornehmen. Dabei sei es eine Grundanforderung an die Verteidi-
                                                              gung, aus der Falldatei heraus dem Gericht vor der Hauptverhand-
                                                              lung konkrete Auffälligkeiten aufzuzeigen. Nur dann sei das Ge-
           Im Geschwindigkeitsverstoß-Messprotokoll kommt     richt verpflichtet, diesen konkret dargelegten Auffälligkeiten
           es auf die materielle Richtigkeit und nicht die formale   nachzugehen. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
           Dokumentation an
                                                              (Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil 15.05.2025)
             Zur Rüge eines „lückenhaften“ Messprotokolls
             bei  Geschwindigkeitsverstoß

           Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat die Rechtsbe-
           schwerde eines Betroffenen gegen seine Verurteilung wegen eines
           Geschwindigkeitsverstoßes zu einer Geldbuße von 1.000 Euro
           nebst Fahrverbot von zwei Monaten verworfen und aus Anlass des
           Verfahrens grundsätzliche Ausführungen zur Rüge eines „lücken-
           haften“ Messprotokolls gemacht.






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