Page 16 - Taxikurier April 2021
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TITELTHEMA
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            ➔ PERSPEKTIVEN


           Sichtachsen und Landmarken in München









           Wenn wir vom Odeonsplatz kommend auf das Siegestor zufahren, erscheinen weiter nördlich hinter dem Tor am Ende der
             Autobahn  Nürnberg die Highlight Towers, die sich auf einem Areal genannt Highlight Munich Business Towers befinden und
             darüber hinaus mit  sogenannten Meeting-Räumen in angeblichen Design Offices aufwarten können, laut Selbstdarstellung:
           „Seit ihrer Fertigstellung im Jahr 2004 sind die weithin sichtbaren Türme zu Wahrzeichen des modernen München avanciert.
           Der amerikanische Stararchitekt Helmut Jahn entwarf ein Ensemble, das Eleganz, Modernität, Selbstbewusstsein und
             Funktionalität vereint: ein Landmark für die Wirtschaftsmetropole, ein Headquarter für Unternehmen mit Perspektive.“


           Ins Deutsche übersetzt wären das die   Kontroverse Diskussionen       gekommen, sich mit Prachtstraßen zu ver-
           Glanzlicht-Türme, aber nachdem dies etwas                           ewigen, nachdem natürlich auch ihnen klar
           lächerlich klingen würde, erhielten die   Der Sichtachse vom Siegestor hinüber zu   war, dass selbst sie nicht unsterblich wa-
             beiden Hochhäuser und ihr Drumherum   den leicht versetzten Glanzlicht-Türmen   ren. Und das mit bleibendem Erfolg, wie
           englische Bezeichnungen, und schon klingt   sorgten und sorgen immer wieder für kont-  wir heute noch sehen. Die Brienner Straße
           das Ganze nach Weltstadt, obwohl es im   roverse Diskussionen, einmal abgesehen   hieß ursprünglich Fürstenweg und seit
           Grunde genommen von einem Minderwer-  vom umstrittenen Thema, ob es in Mün-  1808 Königstraße, bis sie 1826 ihren heuti-
           tigkeitskomplex gegenüber der englisch-  chen Hochhäuser höher als die zwei fast   gen Namen nach einem Sieg bayerischer
           sprachigen Welt zeugt. Aber diese Betrach-  100 Meter hohen Türme der Frauenkirche   Truppen 1814 über französische Truppen
           tungen nur am Rande. Die Türme mit ihrer   geben solle und wenn ja, wie hoch sie sein   beim französischen Dorf Brienne-le-Château
           Höhe von 126 beziehungsweise 113 Metern   sollten. Es geht darum, ob es im Stadtbild   erhielt. Sie ist die städtebauliche Achse,
           wurden nach Plänen des Architekten Jahn   moderne Gebäude geben darf, die histori-  die die Maxvorstadt erschließt. Erstmals im
           (geboren 1940) errichtet, der aus dem   sche Sichtachsen unterbrechen oder überla-  Dezember 1812 als solche erwähnt, ist
           fränkischen Zirndorf stammt, an der Tech-  gern dürfen. Ein aktuelles Beispiel hierfür     diese benannt nach dem ersten bayeri-
           nischen Universität München studierte und   sind die zwei Hochhäuser, die auf dem   schen König, Maximilian I. Joseph (1756–
           dann 1966 nach Chicago auswanderte.    Gelände der Deutschen Post an der Frieden-  1825, König seit 1806, Max-Joseph-Platz
                                             heimer Brücke geplant sind, und welche   von 1806, Maximiliansplatz von 1808,
                                             städtebaulichen und optischen Auswirkun-  Max-Joseph-Straße von 1859, Max-Joseph-
                                             gen sie auf das nahe Schloss Nymphenburg   Brücke von 1879) und ist die erste Vor-
                                             und seinen Schlosspark haben könnten.   Stadt außerhalb der alten Stadtbefestigun-
                                             Denn nicht jedes Hochhaus steht so be-  gen. Die Brienner Straße selbst weist alle
                                             scheiden da wie das älteste Hochhaus Mün-  Merkmale einer typischen Prachtstraße auf.
                                             chens, das städtische Hochhaus an der Blu-  Ihre beidseitige Bebauung ist repräsentativ
                                             menstraße 28 von 1929 mit seinen zwölf   und sie besitzt in ihrem Verlauf platzartige
                                             Stockwerken und 45 Metern Höhe, das man   Erweiterungen. Diese sind der Karolinen-
                                             nicht aus der Ferne sieht, sondern erst,   platz, im Jahr 1809 nach der zweiten Frau
                                             wenn man auf der Straße um die Kurve   (1776–1841) von Max I.  Joseph benannt,
                                             fährt. Dabei darf nicht übersehen werden,   sowie der Königsplatz von 1808, der an die
                                             dass die bayerischen Könige sowie die in   Erlangung der Königswürde im Jahr 1806
                                             ihren Diensten stehenden Architekten und   erinnert. Die Sichtachse der Brienner Stra-
                                             Stadtplaner stets bestrebt waren, ihre   ße hat drei Fixpunkte, auf die man sich zu
                                             Prachtstraßen mit markanten, klassizisti-  bewegt: Im Osten das Eingangstor zum
                                             schen Gebäuden optisch abzuschließen.   Hofgarten sowie in der Mitte auf dem Karo-
                                             Vier Beispiele sollen dies aufzeigen.  linenplatz den 29 Meter hohen Obelisken,
                                                                               der seit 1833 an die 30.000 bayerischen
                                                                               Gefallenen des Russlandfeld zuges von
                                             Brienner Straße                   1812⁄1813 erinnert. Die auffallendste
                                                                               Landmarke sind die Propyläen, die im Jahr
                                             Nachdem seit 1800 die mittelalterlichen   1862 fertig gestellt wurden und den Kö-
                                             Stadtmauern abgebrochen wurden, konnte   nigsplatz im Westen abschließen. Dieses
                                             nicht nur Platz für die wachsende Stadt ge-  Gebäude stellt ein symbolisches Stadttor
                                             schaffen werden, sondern die bayerischen   dar, durch dessen Mitte der Adel von der
                                             Herrscher sahen auch die Gelegenheit   Residenz zum Schloss Nymphenburg ge-




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