Page 4 - Taxikurier August 2020
P. 4

Fotos: atelier-tacke.de




            EDITORIAL

            ÜBER FREUNDE UND FEINDE



                                                               Berlin überweist. Form- und fristgerecht wurde deshalb die Mit-
                                                               gliedschaft zum 31.12.2020 gekündigt. Andere, in ihrer Größe
                                                               ebenfalls durchaus bedeutende Mitgliedsverbände haben eben-
                                                               falls zum 31.12.2020 ihren Austritt erklärt, weil sie die de-
                                                               saströse Politik gegenüber dem Hause Scheuer nicht mittragen.

                                                               Am 19. Juni 2020 tagte in letzter Sitzung die Findungskommis-
                                                               sion für die PBefG-Novelle, also für die Neufassung des Perso-
                                                               nenbeförderungsgesetzes. Die Ergebnisse dieser Kommission
                                                               sind vielfältig und in mehreren Punkten überraschend. Erschre-
                                                               ckend ist dabei, dass das Taxigewerbe der große Verlierer dieser
                                                               Novelle sein wird. Der BTVM brüstet sich, als großen Sieg die
                                                               Beibehaltung der Rückkehrpflicht für Mietwagen erreicht zu
                                                                 haben. Gleichzeitig hat der BTVM aber im vereinten Appell mit
            In den vergangenen Monaten durften wir viele neue Erfahrun-  den bis zuletzt hart bekämpften Widersachern CleverShuttle,
            gen sammeln, und dabei zeigte sich, hinter welcher Fassade   Moia und ViaVan die Einführung der neuen Verkehrsart „Privates
            sich Freunde und wo sich Feinde verbergen: Innerhalb unserer   Pooling“ unterstützt. Bis vor kurzem war nur die Rede von
            Genossenschaft wie auch im weiteren gewerblichen Umfeld, so-    ÖPNV-Pooling, also von Sammelverkehren, durchgeführt von
            wohl im Kreis unserer Angestellten als auch in den Reihen der   ÖPNV-Verkehrsunternehmern, wie z.B. der MVG.
            Mitglieder, insbesondere aber bei Behörden und Politik.
                                                                 Mit der Einführung einer neuen Verkehrsart „Privates Poo-
              Münchner Behörden, die uns in einer der schwierigsten Zei-  ling“ (ohne Rückkehrpflicht zum Betriebssitz) schafft man
              ten des Taxigewerbes seit dem 2. Weltkrieg mit einem unver-  eine Bypass-Variante zum jetzigen Mietwagen-Verkehr. Damit
              ständlichen Schreiben in Angst und Schrecken versetzen und   es die bisherigen „Bad Guys“ (Uber, freenow) noch leichter
              plötzlich kommunalrechtliche Vorschriften entdecken, die    haben, will man Mischkonzessionen gestatten, d.h. ein und
              es zwar seit Jahrzehnten gibt, aber bisher nie zur (Wieder) -  dasselbe Fahrzeug kann für mehrere Verkehrsarten zugelassen
              Erteilung einer Taxi-Genehmigung herangezogen wurden.  werden. Nur einen schlimmen Haken hat die Sache: Das ist
                                                                 nur in Orten bis zu 100.000 Einwohnern vorgesehen, in
            Plötzlich wird auf dieser Ebene unsere Existenz gefährdet. Da-  Großstädten wird es keine Mischkonzessionen geben. Kurz in
            bei ist besagtes Rundschreiben alles andere als nur eine   den Rückspiegel geblickt auf die letzten sieben Jahre: Woher
              In formation, es ist vielmehr ein Wink mit dem Zaunpfahl in   kommen die meisten Mietwagen-Betriebe, die in München
            Richtung aller Taxiunternehmer mit Blick auf bevorstehende   auf UBER-Basis ihr Unwesen treiben? Richtig, aus dem Um-
            Neu- oder Wiedererteilungen ihrer Taxigenehmigungen. Nichts   land, vorwiegend aus den Landkreisen Landsberg/Lech,
            bleibt unversucht, dem großen Ziel näherzukommen und 700   Dachau, Freising, Rosenheim, Mühldorf, Dingolfing, usw. Ex-
            Konzessionen vom Markt zu nehmen.                    akt dieses bisher meist illegal operierende Klientel erhält
                                                                 nachträglich den Freibrief, durch die neue Verkehrsart die
            Die Frage, ob Freund oder Feind, hat sich auch bei der gewerbe-  Rückkehrpflicht zu umgehen. Die Großstadt-Taxler werden zu
            politischen Vertretung im Bundesverband Taxi und Mietwagen   Zuschauern degradiert, denn Mischkonzessionen wird es in
            e.V. (früher BZP) gestellt. Der Landesverband der Bayerischen   der Großstadt nicht geben und kann es eigentlich grundsätz-
            Taxi- und Mietwagenunternehmen e.V. musste sich mit der   lich nicht geben. Der Gesetzgeber muss Taxi und Mietwagen
              Frage auseinandersetzen, ob und wie die politische Ausrichtung   trennen anstatt zusammenzuführen.
            und Zielsetzung des Bundesverbandes mit den Ansprüchen der
            bayerischen Unternehmerschaft noch in vertretbarem Einklang   Dafür kommen Experimente wie ein „Tarif-Korridor“ auf uns zu,
            stehen, oder ob die Uneinigkeit in der Führung des Verbandes   der dem gültigen Taxitarif noch eine Ober- und Untergrenze
            Anlass zum Handeln gebietet. Sei es der Disput in der Vertre-  hinzufügt, innerhalb derer Fahrpreise verhandelbar sein sollen.
            tung der Interessen von Taxiunternehmen auf der einen und   Taxiunternehmer sollen im Bestell-Markt Festpreise anbieten
            der (echten, ordentlichen) Mietwagenbetriebe auf der anderen   dürfen, während der Einsteiger und Aufhalter klassisch nach
            Seite. Sei es die Kluft zwischen den Interessen von Großzentra-  Taxameter gefahren werden soll. So weit, so gut, nur es hapert
            len hier und den Ansprüchen von Verbänden dort: Für die Füh-  an der Formulierung: Nicht nur der Taxiunternehmer, sondern
            rung des Landesverbandes Bayerischer Taxi- und Mietwagenun-  auch deren Erfüllungsgehilfen im Fahrzeug sowie vor allem die
            ternehmen e.V. ist unter den momentanen Rahmenbedingungen   Taxizentrale müssen ebenfalls befähigt sein, Festpreise im Be-
            eine weitere Mitgliedschaft in diesem Bundesverband nicht   stellmarkt zu offerieren. Dieses Ergebnis wirkt wie ein Brain-
            mehr zu verantworten. Es geht dabei nicht um Peanuts, son-  storming, das nie zu Ende gedacht wurde. 15 Minuten Karenz-
            dern um immerhin 80.000 Euro Jahresbeitrag, den Bayern nach   zeit für eine Mietwagenbestellung sind Unsinn und entsprechen






           4 ⁄ TAXIKURIER ⁄ AUGUST 2020
   1   2   3   4   5   6   7   8   9