Page 14 - Taxikurier Juni 2023
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Straße. Begründung: Es erübrigt sich,    weil er ihnen ländlich vorkam und ihre   April 1879 lehnte die Stadtverwaltung ihren
           über die Persönlichkeit, die Verdienste,      Adressen mit Geräuschen und Gerüchen as-  Antrag auf Umbenennung ab, doch gaben
           die internationale Anerkennung Kardinals   soziierte, die ihnen peinlich waren. Bereits   sie und die nachkommende Generation
           Dr. Michael von Faulhaber in diesen Tagen   seit 1860 bemühten sie sich daher beim   nicht auf. Selbst die „Münchener Neuesten
           nähere Ausführungen zu machen. Es ist   Magistrat um eine Veredelung. Hier fanden   Nachrichten“ schalteten sich am 11. Sep-
           eine Ehrenpflicht, dem Andenken an diese   sie Zustimmung und Unterstützung, aber   tember 1902 in die Diskussion ein: „Vor
           Persönlichkeit sichtbaren Ausdruck zu ver-  das Gremium unterstand der Königlichen   kurzem haben einige Bewohner der Hunds-
           leihen und den Namen künftigen Generatio-  Regierung und die spielte nicht mit. Am   kugel beim Magistrat petitioniert, dieser
           nen wach und lebendig zu erhalten. Als ge-  29. Juni 1860 traf im Rathaus ein Schrei-  möge die Bezeichnung dieses Straßenteils
           eignetste Straße käme die Umbenennung   ben der Kammer des Innern der Regierung   von der Hotter- bis zur Brunnstraße aufhe-
           der Promenadestraße in Frage, da in dieser   von Oberbayern ein, das den Münchner   ben und ihn auch dem Namen nach mit der
           das Erzbischöfliche Palais steht, in dem   Stadtvätern „Im Namen Seiner Majestät des   Hackenstraße vereinen. Dies Verlangen wur-
           Kardinal Faulhaber über 35 Jahre gewirkt   Königs von Bayern“ Maximilian II. Joseph   de nicht ohne Berechtigung abgewiesen,
           hat. Außerdem ergibt sich eine unmittelba-  (1811–1864, Maximilianstraße von 1858)   denn die Benennung ist uralt und infolge
           re Beziehung zu dem in der gleichen Straße   klipp und klar mitteilte: „Unter Rückgabe   dessen gebührt ihr Pietät.“ Doch die be-
           liegenden Ordinariat und zu der Pacellistra-  der mit Schrift vom 5. des Monats vorgeleg-  harrlichen Antragsteller konnten schon bald
           ße am anderen Ausgang des Promenade-  ten Akte wird dem Stadtmagistrat auf Grund  einen Erfolg verbuchen, denn am 5. Novem-
           platzes.“ Zur Trauersitzung des Stadtrates   Beschließung des königlichen Ministeriums   ber 1903 wurden die Hundskugel endlich
           am nächsten Tag erschienen die Mitglieder   des Innern vom 20. des Monats eröffnet,   in die als edler empfundene Hackenstraße
           mit ihren Amtsketten und in dunkler Klei-  dass sich diese höchste Stelle nicht veran-  einbezogen.
           dung. Man beschloss die beantragte Umbe-  lasst gefunden hat, eine Änderung der seit
           nennung mit der Widmung: „Kardinal Dr.   langer Zeit üblichen und mit der Geschichte
           Michael von Faulhaber, geboren 5.3.1860    der Stadt München zusammenhängenden   Mit und ohne Erfolg
           in Klosterheidenfeld/Würzburg, gestorben   Bezeichnung des Rindermarktes eintreten
           12.6.1952 in München. Erzbischof von Mün-  zu lassen.“ Am 8. Oktober 1872 versuchte   Einige weitere Straßennamen in der Alt-
           chen-Freising 1917–1952, Ehrenbürger der   es der Magistrat erneut, dieses Mal mit der   stadt erschienen Teilen der Öffentlichkeit
           Stadt München“. Die Adresse des Erzbischöf-  Bitte um Umbenennung in Peterstraße nach   als unangemessen. Zwei erfolgreiche Umbe-
           lichen Palais hieß fortan also Kardinal-Faul-  der nahen Kirche Sankt Peter. Die Ableh-  nennungen seien herausgegriffen: Aus der
           haber-Straße 7. Wegen Faulhabers proble-                            lachhaften Knödelgasse wurde am 29. März
           matischer politischer Rolle steht seine                             1872 die patriotische Hartmannstraße nach
           Straße derzeit in der Diskussion, ob sie                            dem General Jakob von H. (1795–1873).
           nicht umbenannt werden soll.                                        Außerdem verschwand die kleinstädtisch
                                                                               wirkende Weite Gasse und verwandelte sich
                                                                               1886 in die vornehm klingende Ettstraße
           Denkmalschutz                                                       nach dem Kirchenmusiker Kaspar Ett (1788–
                                                                               1847). Immer wieder beantragten einzelne
           Der Rindermarkt erhielt seine heutige,                              Anwohner des Platzl die Umbenennung ih-
           platzartige Form erst durch die Abtragung                           rer Adresse in Plätzchen, ähnlich dem
           der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Häuser,                         Kreuzplätzchen von 1856 in der Au, aber
           davor war er eine verbreiterte Straße. Die                          immer wieder waren ihre Bemühungen
           modernen Großstädter des 19. Jahrhunderts                           glücklicherweise vom Misserfolg geprägt.
           schienen sich an dem Namen zu stören,                               Nicht auszudenken, wenn das Hofbräuhaus
                                                                               heute am peinlich-affektierten Plätzchen
                                                                               liegen würde.



                                                                               Umbenennungen
                                                                               Die Straßen- und Platznamen einer Gemein-
                                                                               de sind ein schier unendliches Feld der
                                                                                 Diskussion. Sie sind das Gedächtnis einer
                                             nung Ludwigs II. (1845-1886) – wie 1860   Stadt und spiegeln ihre Entwicklung und
                                             seines Vaters Maximilian II. – ließ nicht   Geschichte wider. Dabei sind insbesondere
                                             lange auf sich warten. Den überlieferten   Umbenennungen von besonderem Interesse,
                                             Straßennamen in der Altstadt standen die   denn sie sind in der Gegenwart nicht mehr
                                             sich als etwas Besseres Vorkommenden dis-  sichtbar, sondern leben in der mündlichen
                                             tanziert und höchstens historisch interes-  oder schriftlichen Überlieferung fort und
                                             siert gegenüber, gerade wenn sie selbst an   sagen dabei viel über ihre jeweilige Vergan-
                                             einer solchen Straße lebten. Besonders   genheit aus. Auch die Umwidmung beste-
                                             pikiert über ihre Adresse scheinen die An-  hender Straßen- und Platznamen gehören
                                             wohner der tatsächlich etwas skurrilen   zur unsichtbaren Geschichte einer Straße,
                                             Hundskugel gewesen zu sein. Schon am 4.   denn der Name bleibt bestehen, während




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