Page 30 - Taxikurier Dezember 2020
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WISSENSWERTES
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➔ WEIHNACHTEN
Gedanken zur Heiligen Nacht
Die Weihnachtszeit ist für viele eine ganz besondere Zeit, im positiven wie auch im negativen Sinne. Spätestens Ende
November verfallen die Menschen in einen regelrechten Kaufrausch, um die Geschenke für geliebte und auch ungeliebte
Menschen zu besorgen und die Vorbereitungen für ein perfektes Familienfest abzuarbeiten. Aber genau da unterliegen
Viele einem Druck, der durch Werbung und Erzählungen anderer, die übrigens nicht immer wahr sein müssen, jedes Jahr
aufs Neue aufgebaut wird.
Nicht ohne Grund hat die Polizei an Heilig Raum hatten, in dem das Leben stattfand, wurde, die Kaiser aber die anderen Götter
Abend besonders viele Einsätze wegen ist es nachvollziehbar, dass das kleine und deren Verehrung zurück drängen
häuslicher Gewalt, Körperverletzungen oder Betlehem überfüllt war. Übrigens unter- wollten, wurde die Geburt Jesu auf den
auch Suizidversuchen. Ein Blick auf die schieden sich diese Häuser kaum von den 25. Dezember festgelegt. Dieser Tag war
Historie unseres Weihnachtsfestes bringt Bauernhäusern, die wir heute noch in Bau- dem Sol Invictus, dem Sonnengott ge-
einige Erklärungen zu tage und hilft viel- ernhausmuseen bewundern können. Oft weiht, und so wurde eine religiöse Brücke
leicht, die Feiertage gelassener zu verbrin- waren in Judäa die Häuser, wie übrigens von „Sonnengott“ zu „Christus, die wahre
gen. Der Ursprung vieler Missverständnisse heute noch im Elbsandsteingebirge, direkt Sonne“ geschlagen.
beginnt wohl bereits bei der eigentlichen an den Fels gebaut, der dann ausgehöhlt
Weihnachtsgeschichte, die die Meisten von wurde. In dem so geschaffenen Raum In den darauffolgenden 1.500 Jahren war
uns bereits in frühester Kindheit mit dem konnte man dann das Vieh sicher unter- dieser Feiertag weder von Üppigkeit noch
Fest verbinden. bringen. Diese Situation fand also eine von Glanz geprägt. Die Adventszeit war
ganz normale schwangere Frau mit ihrem strenge Fastenzeit. Selbst der Nikolaustag
Die Mehrheit der Historiker stellt mittler- Mann in Betlehem vor. Der ach so böse wurde mit Beten und Fasten begangen.
weile nicht mehr die Frage, ob es einen Herbergswirt hatte wahrscheinlich tatsäch- Erst viel später, in der beginnenden Neu-
historischen Rabbi namens Jesus gegeben lich keinen Platz und dass eine werdende zeit, wurde der Gedenktag des heiligen
hat. Dies wird bejaht. Der entscheidende Mutter ihr Kind nicht im Kreise der gesam- Nikolaus zum Tag, an dem die Kinder kleine
Punkt ist die Nachvollziehbarkeit von ro- ten Familie bekommen wollte, ist nachvoll- Geschenke erhielten. Dieser Brauch hat
mantisierenden Ergänzungen der eigentli- ziehbar. Also zogen sich wohl die werden- sich im katholischen Raum sehr lange er-
chen Geschichte. Der Grund der Reise von den Eltern in den Stall, wie beschrieben halten. In evangelischen Landstrichen war
Nazareth nach Betlehem ist in den Überlie- eine Höhle hinter dem Haus, zurück, in es Martin Luther, der das „Gaben geben“
ferungen mit einem Zensus der Römer be- dem sonst die Tiere gehalten wurden. Inte- auf den Gedenktag von Jesu Geburt lenkte
gründet. Dieser Zensus ist historisch be- ressanter Weise sind nun die Krippendar- und damit den Kindern diesen Tag näher
legt. Interessant in diesem Zusammenhang stellungen, die das Geschehen abbilden, bringen wollte.
ist die Tatsache, dass nur die Bürger sich alle mit Tieren besetzt. In keiner Überlie-
der Zählung unterziehen mussten, die über ferung findet sich aber auch nur ein Tier in Der Bruch mit Tradition und Historie er-
Grundeigentum verfügten, denn es ging der Nähe der Gebärenden. folgte erst im 19. Jahrhundert mit der Epo-
den Römern um die Festsetzung der Steu- che der Romantik. Hier liegen die Ursachen
ern. In allen Überlieferungen wird vom Da im jüdischen Leben der Tag der Geburt vieler Missverständnisse. Die Verherrlichung
Handwerk des Vaters Jesu gesprochen. eine untergeordnete Rolle spielt, dafür der rauen Natur und ihrer wilden Schönheit
Dazu muss man wissen, dass das Handwerk aber die Abstammung mütterlicherseits in Verbindung mit der lichtarmen Jahres-
im jüdischen Denken einen besonderen entscheidend ist, wurde das genaue Datum zeit führte zu vielen Bräuchen, die wir heu-
Stellenwert einnimmt. Jahrtausende lang nie hinterfragt. Auch später, als der histo- te als selbstverständlich ansehen. Das bes-
war es Voraussetzung für einen Rabbi, zu- rischen Jesus als Rabbi lehrte, wäre wohl te Beispiel ist der Christbaum, der mit der
erst ein Handwerk zu erlernen, mit seiner niemand auf die Idee gekommen, nach dem Geburtsgeschichte gar nichts zu tun hat.
Hände Arbeit etwas zu schaffen. Das be- Geburtstag zu fragen. Als etwas 300 Jahre Die Krippen, mit den dazu gedichteten
weist den gesellschaftlichen Stellenwert später der römische Kaiser Konstantin das Tieren, erfreuen sich bis heute besonderer
und die Gleichsetzung von körperlicher und Christentum zur Staatsreligion machte, Beliebtheit und prägen seit Generationen
geistiger Arbeit. wurde der Ruf auch nach einem Fest der unser Bild von dieser wohl berühmtesten
Geburt Jesu laut. Bis heute ist und bleibt Geschichte der Welt, aber leider falsch.
Damit ist das Märchen von der ach so ar- aber der Ostersonntag der höchste christli-
men Familie widerlegt. Da die Familien da- che Feiertag, an dem der Auferstehung In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts
mals über sehr viele Mitglieder verfügten gedacht wird. Da im römischen Reich die entdeckten dann ganze Industriezweige
und die Häuser meist nur einen großen Christianisierung nur langsam vollzogen Weihnachten für sich. Die Produzenten von
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