Page 12 - Taxikurier Januar 2021
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RECHTSPRECHUNG


             ➔ URTEILE



            Besteuerung der privaten Nutzung eines betrieblichen    Für E-Scooter-Fahrer gelten dieselben Promillegrenzen
            Kfz rechtfertigt keine Minderung des Gewinns aus der   wie für Autofahrer
            Veräußerung des Fahrzeugs

                                                               Grenze von 1,1 Promille für Autofahrer gilt auch für
            Veräußerungserlös in voller Höhe zu berücksichtigen  E-Scooter-Fahrer

            Wird ein zum Betriebsvermögen gehörendes, teilweise privat   Auch für E-Scooter-Fahrer gilt für die Annahme der absoluten
            genutztes Kfz veräußert, erhöht der gesamte Unterschieds-    Fahruntüchtigkeit der Grenzwert von 1,1 Promille. Das hat das
            betrag zwischen Buchwert und Veräußerungserlös den Gewinn.   LG Osnabrück entschieden. Beschuldigt in dem Verfahren ist ein
            Der Umstand, dass die tatsächlich für das Fahrzeug in Anspruch   junger Mann. Er war im Juli 2020 in Osnabrück gegen zwei Uhr
            genommene AfA infolge der Besteuerung der Nutzungsentnah-  morgens von Polizeibeamten gestoppt worden, als er mit einem
            me für die Privatnutzung bei wirtschaftlicher Betrachtung teil-  sog. E-Scooter am Neumarkt unterwegs war. Weil der Verdacht
            weise neutralisiert wird, rechtfertigt keine Gewinnkorrektur.   bestand, dass der Mann erheblich alkoholisiert war, wurde ihm
            Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden.    eine Blutprobe entnommen. Diese ergab später eine Blutalko-
                                                               holkonzentration von 1,54 Promille. Auf Antrag der Staats-
            Im Streitfall nutzte der Kläger einen PKW, den er im Jahr 2008   anwaltschaft Osnabrück entzog deshalb Anfang August 2020
            angeschafft und seinem Betriebsvermögen zugeordnet hatte, zu   das Amtsgericht Osnabrück dem Beschuldigten im Rahmen des
            25 % für seine freiberufliche Tätigkeit und zu 75 % für private   laufenden Ermittlungsverfahrens vorläufig die Fahrerlaubnis.
            Zwecke. Ab dem Jahr 2008 berücksichtigte das Finanzamt (FA)   Das Amtsgericht begründete dies damit, es bestehe der drin-
            bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers einerseits   gende Tatverdacht der Trunkenheit im Straßenverkehr
              antragsgemäß AfA für den PKW. Andererseits erfasste das FA   (§ 316 StGB).
            wegen der privaten Nutzung des betrieblichen PKW auch
              Betriebseinnahmen in Höhe von 75 % der für das Fahrzeug   Wie bei Autofahrern auch sei bei E-Scootern ab einem Wert von
              entstandenen Aufwendungen einschließlich der AfA.  1,1 Promille von absoluter Fahruntüchtigkeit auszugehen. Die-
                                                               sen Wert habe der Beschuldigte klar überschritten. Es sei daher
            Dies führte dazu, dass der steuermindernde Effekt der AfA in-  damit zu rechnen, dass er in einem künftigen Hauptsachever-
            folge der Besteuerung der Nutzungsentnahme bei wirtschaftli-  fahren strafrechtlich verurteilt und dann endgültig seine Fahr-
            cher Betrachtung teilweise „neutralisiert“ wurde. Wegen dieses   erlaubnis verlieren werde. Das rechtfertige nach dem Gesetz die
            Effektes setzte der Kläger, als er das Fahrzeug 2013 nach voll-  vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bereits im Ermittlungs-
            ständiger Abschreibung der Anschaffungskosten verkaufte,   verfahren. Der junge Mann legte einige Wochen später gegen
              lediglich ein Viertel des Verkaufserlöses als Betriebseinnahme   diese Entscheidung des Amtsgerichts Beschwerde zum Land-
            an. Das FA war demgegenüber der Meinung, der Kläger müsse   gericht Osnabrück ein. Er vertrat dabei die Auffassung, bei
            den vollen Verkaufserlös versteuern.               E-Scootern sei nicht die vom Bundesgerichtshof für den motori-
                                                               sierten Verkehr definierte Grenze von 1,1 Promille maßgeblich.
            Der BFH hat das Vorgehen des Finanzamtes als zutreffend be-  Sie gelte nur für stärker motorisierte Kraftfahrzeuge wie Pkw.
            stätigt. Der Veräußerungserlös sei – trotz vorangegangener Be-  Vielmehr sei bei E-Scootern der vom Bundesgerichtshof für
            steuerung der Nutzungsentnahme – in voller Höhe als Betriebs-  Radfahrer definierte Grenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit
            einnahme zu berücksichtigen. Er sei weder anteilig zu kürzen,   von 1,6 Promille maßgeblich. Denn das Gefahrenpotential von
            noch finde eine gewinnmindernde Korrektur in Höhe der auf die   E-Scootern und Fahrrädern sei eher vergleichbar als das von
            private Nutzung entfallenden AfA statt. Dies beruhe – so der   E-Scootern und Pkw.
            BFH – darauf, dass die Besteuerung der Privatnutzung eines
            Wirtschaftsgutes des Betriebsvermögens in Form der Nutzungs-
            entnahme und dessen spätere Veräußerung zwei unterschiedli-
            che Vorgänge darstellten, die getrennt zu betrachten seien. Aus                                  istockphoto
            dem Gesetz, insbesondere aus § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG, lasse
            sich kein anderes Ergebnis herleiten. In der Besteuerung des
            vollständigen Veräußerungserlöses sei auch kein Verstoß gegen
            das Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungs-
            fähigkeit und das objektive Nettoprinzip zu sehen.

            (Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.06.2020 – VIII R 9 ⁄ 18)






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